Todesursache kein Thema
Zwei Jahre nachdem Oury Jalloh unter mysteriösen
Umständen in einer
Polizeiwache in Dessau starb, wird der Fall nun vor dem Landgericht
verhandelt
Von Kathrin Hedtke
Trauermarsch für Oury Jalloh.
Dessau, 26. März 2005
Foto: Version
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Bis heute ist ungeklärt, unter welchen Umständen der
21jährige Oury
Jalloh am 7. Januar 2005 in einer Polizeizelle in Dessau verbrannt ist.
Zwei Jahre hat es gedauert, bis der mysteriöse Fall nun endlich
vor dem
örtlichen Landgericht verhandelt wird. Für Ende März ist
eine
viertägige Hauptverhandlung gegen den Dienstgruppenleiter des
Polizeireviers angesetzt. »Wir hoffen auf Aufklärung,
Gerechtigkeit und
Entschädigung«, erklärten die Aktivisten der
»Initiative in Gedenken an
Oury Jalloh« am Freitag auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Doch
es ist fraglich, ob die wahre Todesursache des Asylbewerbers aus Sierra
Leone in dem Prozeß ans Licht kommt – denn sie wird
höchstens am Rande
eine Rolle spielen.
Angeklagt ist der 46jähriger Polizeibeamte
Andreas S. – wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Ihm wird
vorgeworfen, den Feuermelder zweimal ausgeschaltet und sich mit
großer
Verzögerung zur Zelle begeben zu haben. »Die zentrale Frage
sind
bestimmte Zeitabläufe«, erläuterte Ulrich von
Klinggräff, Anwalt der
Familie Jalloh. Es soll also geklärt werden, ob das Leben von Oury
Jalloh hätte gerettet werden können, wenn der
Dienstgruppenleiter
»angemessen reagiert« hätte. Daran hat der Anwalt
keinen Zweifel:
»Zeitlichen Messungen zufolge sind zweieinhalb Minuten die
Maximalzeit–
vom Reagieren bis zur erfolgreichen Brandlöschung.«
Über das zu
erwartende Strafmaß wollte er keine Prognosen wagen. »Wir
gehen von
einer Freiheitsstrafe aus«, formulierte er vage. Im
unwahrscheinlichen
Falle eines Freispruchs werde man Revision einlegen, erklärte
Regina
Götz, ebenfalls Anwältin der Familie.
Jedoch betonte von
Klinggräff: »Die Anklageschrift muß als Hypothese
angesehen werden.« Zu
viele Fakten sprechen gegen die herrschende Annahme, Oury Jalloh habe
sich mit einem Feuerzeug selbst in Brand gesetzt. Denn nachdem
Polizisten den Asylbewerber im stark alkoholisierten Zustand aufs
Revier brachten, wurde er sorgfältig durchsucht. Dabei wurde kein
Feuerzeug entdeckt. Doch damit nicht genug: »Oury Jalloh war an
allen
vier Gliedmaßen gefesselt«, berichtete der Anwalt. Zudem
hatte der
21jährige 2,9 Promille Alkohol im Blut. Es ist unwahrscheinlich,
daß er
in diesem Zustand in der Lage gewesen wäre, unter Verrenkungen ein
Feuerzeug aus seiner Tasche zu holen und die Matratze anzuzünden–
zumal
diese einen feuerfesten Bezug hatte. Doch Gutachter sind
überzeugt, daß
dies theoretisch möglich gewesen wäre. »Unsere Aufgabe
in dem Verfahren
ist es, all diese Hypothesen noch einmal zu diskutieren«, betonte
von
Klinggräff.
Mitschnitte von Äußerungen des diensthabenden
Arztes sowie des Polizisten lassen auf eine fremdenfeindliche
Einstellung schließen. »Diesen latenten Rassismus
müssen wir Teil des
Verfahrens werden lassen«, so der Anwalt. Er ist überzeugt,
daß das
Landgericht Dessau den Prozeß bewußt verzögern wollte.
Ob diese
Gerichtsverhandlung nun wirklich für Aufklärung sorgen wird?
»Das kann
nur funktionieren, wenn der Prozeß eingebettet ist in die
öffentlichkeitswirksame Arbeit der Initiativen«, betonte von
Klinggräff. »Der Prozeß wird ein Anfang sein, doch die
Menschen müssen
weiterdenken«, erklärte auch Johanna Bartl von der
Deutsch-Afrikanischen-Initiative in Dessau. An einer öffentlichen
Gedenkveranstaltung anläßlich des ersten Todestages von Oury
Jalloh in
Dessau hätten nur wenige Menschen teilgenommen. Das soll dieses
Jahr
anders werden: Für Sonntag sind um 13 Uhr Demonstrationen in
Berlin und
Dessau geplant