Gefahrenzone
Schweriner See in
Brandenburg: Am 1. August wurde hier eine Gruppe dunkelhäutiger
Jugend-licher mit Flaschen beworfen.
Im
Fußballsommer entbrannte eine Debatte über No-go-Areas
für afrikanische
Gäste. Können sich Menschen mit dunkler Haut in
Ostdeutschland
tatsächlich nicht mehr frei bewegen? Ist der Hass auf alles Fremde
ein
Teil der dortigen Alltagskultur geworden? Gehört der Osten noch
zum
Westen? Fünf Mitarbeiter des SZ-Magazins haben mehrere
Monate
recherchiert. Herausgekommen ist ein bestürzender
Erfahrungsbericht,
zusammengesetzt aus 22 Stimmen. Und die Erkenntnis, dass 16 Jahre nach
der Wiedervereinigung Teile des Ostens zu einem anderen Land geworden
sind.
1. Alltag der
Diskriminierung
Amani Bohoussou, 34, Elfenbeinküste, seit 5 Jahren
in Erfurt, Doktorand der Sprachwissenschaften.
Ich erinnere mich noch an meinen ersten Abend in Erfurt. Eine deutsche
Freundin aus Bielefeld, wo ich als Student mal gewohnt hatte, lud mich
zum Abendessen ein. Beim Abschied sagte sie: »Pass auf dich auf,
Amani.
Du bist jetzt nicht mehr in Bielefeld.« Ich war sehr beunruhigt
und
hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Denn ich hatte zu Hause zwar im
Geschichtsunterricht gelernt, dass Deutschland lange Zeit geteilt
gewesen war. Aber niemand hatte mir erzählt, dass es noch heute
riesige
Unterschiede zwischen Ost und West gibt. Bald wusste ich aber Bescheid.
Noah Sow, 32, Moderatorin und Sängerin, in
Deutschland geboren.
Als ich das erste Mal aus meiner Heimatstadt Hamburg nach Rostock fuhr,
hat man mir viele Ratschläge gegeben: im Westen vollzutanken,
nicht
überall auszusteigen, die Hotelzimmer mit den Kollegen
nebeneinander
und den Weg zum Hotel nur in Begleitung eines Security-Mannes zu
nehmen. Ich bin dann mit dem Zug gefahren. Eigentlich sollte mich
jemand am Bahnhof abholen, aber kaum war ich angekommen, hatten mich
schon sechs Glatzen umringt. Zum Glück hatte ich einen
großen Hund
dabei. Beim Einchecken im Hotel hieß es: Kein Zimmer frei. Erst
eine
weiße Kollegin konnte den »Irrtum« beheben.
Asumaila Atoude, 31, Togo, geduldeter Asylbewerber in
Rathenow.
In den fünf Jahren, in
denen ich hier lebe, habe ich noch nie jemanden
aus Rathenow kennengelernt. Ob wir auch manchmal in die Disco gehen?
Vergiss es. Ich bin nur ein einziges Mal hin. Und weißt du,
warum? Weil
dort einmal alle zwei Monate ein »Black Music«-Abend
stattfindet, die
machen da auch Werbung in der Stadt, und es steht sogar auf den
Plakaten, dass Afrikaner freien Eintritt haben. Na ja, da habe ich mich
einmal überreden lassen mitzugehen. Als wir reingingen, fingen die
ganzen Leute in der Disco zu lachen an und sagten alle: »Hey,
Bimbo.«
Ich weiß gar nicht, was das bedeutet: »Bimbo«.
Irgendwann sind wir dann
auf die Tanzfläche gegangen, meine Freunde und ich. Die
Tanzfläche war
voll in dem Moment, doch als wir da waren, sind auf einmal alle
Deutschen runtergegangen. Ein Freund meinte noch: »Vielleicht
wollen
die alle sehen, wie wir Schwarzen tanzen«, aber das war bestimmt
nicht
so. In dem Moment, als wir aufgehört haben zu tanzen, war die
Tanzfläche wieder voll. Da habe ich zu meinen Freunden gesagt:
»Kommt,
lasst uns gehen.«
Chima Onyele, 29, lebt als Musiker in Frankfurt, in
Deutschland geboren.
Was Uwe-Karsten Heye da vor der WM angesprochen hat mit den
»No-go-Areas«, das weiß ich schon seit zehn Jahren.
Man geht einfach
nicht nach Berlin-Marzahn und macht die Probe aufs Exempel. Man macht
keine Zwischenstopps auf der ICE-Strecke nach Leipzig und man nimmt im
Osten keinen Bummelzug.
Ade Bantu, 36, Nigeria, Produzent und Musiker in
Köln, in Deutschland seit 1986.
Wenn ich in Ostdeutschland aus der Bahn aussteige, halte ich immer
fünf bis zehn Meter Abstand zu den Gleisen.
Peter Lawson, Sierra Leone, lebt als geduldeter
Asylbewerber in Prenzlau.
Hier in Prenzlau ist es so: Jedes Mal, wenn du rausgehst, passiert
etwas. Und zwar nicht ein-, zweimal am Tag, sondern die ganze Zeit. Man
überlegt sich wirklich, überhaupt noch auf die Straße
zu gehen.
Eigentlich gehen wir nur noch raus, wenn wir wirklich müssen, zum
Einkaufen oder zum Sozialamt.
Lina Schäfer*, 30, Senegal, Hausfrau, seit 6
Monaten in Dresden.
Aus Vorsicht gehe ich nachts nicht auf die Straße, das macht hier
kein
Afrikaner – das wäre einfach viel zu gefährlich. Im Senegal
bin ich
nachts immer auf die Straße gegangen, aber der Senegal ist auch
nicht
so gefährlich wie Deutschland. Manchmal lauert mir einer auf, an
der
Trambahnhaltestelle, am Kindergarten oder auch vor meinem Haus. Er
starrt mich an und zischt mir Dinge zu. Weil ich noch nicht so gut
Deutsch spreche, hat mir mein Mann einen Zettel geschrieben:
»Lass mich
in Ruhe oder ich hole die Polizei!«, steht da drauf. Den trage
ich
jetzt immer bei mir.
Tchbodi Kodjo*, 26, Togo,
lebt seit 6 Jahren in Magdeburg.
Eben gerade, als ich hier von der Bushaltestelle zum Interviewtermin
kam, stand eine Mutter mit ihrer Tochter, so elf Jahre alt, auf dem
Balkon. Beide machten Affengeräusche, als ich vorbeiging,
»huhuhuhu«
haben sie mir nachgerufen.
Amani Bohoussou
Am schlimmsten ist es in der Straßenbahn. Ich sage immer: In
Erfurt bin
ich der König der Tram. Wenn ich in einem Viererabteil sitze,
bleibe
ich da allein – egal, wie voll der Wagen ist. Es gibt natürlich
auch
viele nette und hilfsbereite Menschen hier. Meistens sind die aber
schon mal im Ausland gewesen. Vorurteile haben eben viel mit Ignoranz
zu tun. Die Menschen, die Vorurteile gegen mich haben, kennen oft nicht
mal Berlin.
Asumaila Atoude
Baden gehen wir im Sommer auch nicht, obwohl es hier viele schöne
Seen
gibt. Ich habe mal von jemandem aus unserem Heim gehört, der war
in
einem Freibad hier in der Nähe. Als er ins Schwimmbecken reinging,
sind
sofort alle aus dem Becken raus.
Mouctar Bah, Guinea, lebt in Berlin und Dessau.
Ich bin vor einigen Jahren von Berlin nach Dessau gekommen wegen eines
Callcenters, das ich dort eröffnet habe. In dem Laden habe ich
auch
Oury Jalloh aus Sierra Leone kennengelernt, der dort oft mit seiner
Mama telefoniert hat. Jalloh ist ja, das stand viel in der Zeitung, am
7. Januar 2005 in einer Zelle im Polizeirevier in Dessau ums Leben
gekommen. Er war abends verhaftet worden, weil er angeblich auf der
Straße Frauen belästigt hatte, und ist dann im Keller auf
einer
Pritsche, auf der er festgeschnallt war, verbrannt. Es hieß, er
habe es
trotz der Fesseln geschafft, sich selber anzuzünden.
Da es mir und anderen seiner Freunde nicht so klar war, wie Jalloh ums
Leben gekommen ist, haben wir versucht, das herauszufinden. Zuerst sind
wir zur Polizei gegangen, aber niemand konnte uns nähere Auskunft
geben. Wir haben dann gesagt: Okay, jetzt schalten wir einen Anwalt
ein. Und ich habe mich dann ein Jahr lang richtig mit der Sache
beschäftigt, habe Demos organisiert, viel mit Medien gesprochen
und so.
Wie ich vorhin gesagt habe, habe ich ja dieses Callcenter in Dessau
geführt. Jedenfalls habe ich dann im Februar 2006 einen Brief vom
Ordnungsamt Dessau bekommen, dass ich den Laden zumachen muss. Sie
sagten, ich hätte Drogendealer in meinem Laden geduldet. Diese
Anschuldigungen hatte es schon mal lang vorher gegeben, ein Jahr vor
Jallohs Tod. Die Drogenszene war genau in der Straße aktiv, in
der mein
Geschäft war, und die Polizei hatte den Laden unter Verdacht, aber
der
Staatsanwalt ließ die Klage fallen, weil ich nachweisen konnte,
dass
ich nichts damit zu tun hatte. Es war dann zwei Jahre ruhig, die
Drogenszene war längst aus der Gegend verschwunden, dann kam
plötzlich
der Brief vom Ordnungsamt. Ich musste im Februar das Gewerbe innerhalb
einer Woche abgeben. Jetzt arbeite ich im gleichen Callcenter wie
vorher, aber als Angestellter. Komischerweise war das Problem mit den
Drogen plötzlich nicht mehr akut, als das Callcenter an einen
anderen
Eigentümer ging.
Maria Schöller*, Kenia, lebt als Hausfrau in
Dresden, seit sechs Jahren in Deutschland.
Ich habe in Frankfurt in einer Wäscherei gearbeitet, und hier in
Dresden habe ich in der Zeitung ein Stellenangebot in einer
Wäscherei
gesehen. Da habe ich angerufen und der Frau erzählt, dass ich
Erfahrung
mit dieser Arbeit habe – wir haben einen Termin ausgemacht. Aber als
ich bei ihr angekommen bin, sagt die Frau: »Nein, ich hab keinen
Termin
mit einer Afrikanerin gemacht!« Ich habe gesagt: »Aber wir
haben doch
miteinander geredet am Telefon.« – »Nein, ich habe mit
keiner
Afrikanerin geredet«, schreit sie. Da bin ich wieder gegangen.
Ade Bantu
Wir waren mit den Brother’s Keepers auf Tournee und wollten in Pirna
mit einer Schulklasse diskutieren. Wir hatten aber das Gefühl,
dass
sich die Schüler nicht frei äußern konnten. Es
herrschte ein Klima der
Angst. Die Nacht zuvor hatten Rechte überall in der Schule Plakate
aufgehängt: »White Arian Brotherhood against the alien
Brother’s
Keepers«, mit Hakenkreuz und Ku-Klux-Klan-Symbolen. Ich
fühlte mich wie
in der Zeitmaschine: Mississippi Burning
auf Deutsch. Vor der Schule hörten fünf Neonazis laut
rechtsextreme
Musik. Die Polizei, die zu unserem Schutz mitgekommen war, schritt
nicht dagegen ein.
Bahnhof
Potsdam Charlottenhof: Hier wurde der Deutsch-Äthiopier Ermyas M.
am
frühen Morgen des 16. April 2006 niedergeschlagen. Er lag
wochenlang im
Koma.
Victoria, 16, lebt als
Schülerin in ihrer Geburtsstadt Pirna.
Ich mache jetzt die elfte Klasse in Amerika, in Michigan. Der Grund,
warum ich dahin wollte, war schon, dass ich mal wegkomme aus Pirna; in
Amerika wohnen ja viel mehr Schwarze als hier. Der Schritt ist aber,
glaub ich, auch generell wichtig für meine Persönlichkeit,
weil ich
hier einfach zu hart geworden bin, irgendwie so eine Mauer um mich
herum aufgebaut habe, als Selbstschutz. Weil einem das halt schon alles
ziemlich nahegeht. Man kann in Pirna jeden Tag damit rechnen, dass was
passiert. Wenn ich spätabends durch die Gegend laufe, was jetzt
schon
hin und wieder vorkommt, dann kann immer einer von den Nazis kommen und
einen verprügeln. Ich habe in den letzten Jahren immer alles
unterdrückt und habe so getan, wie wenn mich das alles nicht
interessieren würde, die Gewalt, die Pöbeleien und so. Das
hat am
Anfang auch geholfen. Im Endeffekt war es dann aber überhaupt
nicht
gut.
Grundsätzlich ist es hier in Pirna aber schon hart. Wenn ich hier
so
langgehe – also ich bin jeden Tag darauf eingestellt, dass irgendwas
kommt. Ich hab auch keine Lust und keine Kraft dazu, mich damit
auseinanderzusetzen; es kommen immer Leute zu mir, die sagen, ich soll
die doch mal anzeigen – meine Schwester und ich haben schon so viele
Anzeigen gemacht früher, das bringt überhaupt nichts, die
Polizei macht
nichts, da kommt der Angeklagte einfach nicht zum Gerichtstermin, und
das Verfahren wird dann irgendwann eingestellt.
Mein Fehler war, dass ich zu lange alles in mich reingefressen, mit
niemandem darüber geredet habe. Ich sag mal so, ich habe lange
eine Art
Rolle gespielt, in der Schule war ich immer das fröhliche
Mädchen. Es
kam aber dann alles auf einmal aus mir raus, so im Herbst letzten
Jahres, als ich eine Essstörung gekriegt habe. Ich hatte mich
damals
ziemlich reingesteigert in so ein Buch von Heidi Klums Fitness- und
Ernährungstrainer, David Kirsch, der hat so einen tollen
Fitnessplan:
In 14 Wochen wird man da total toll und nimmt ab, da darf man aber kein
Brot essen, keine Kartoffeln, muss auf ganz viel verzichten. Das habe
ich also gemacht, hab überlegt, was ich überhaupt noch essen
darf – und
irgendwann bin ich dann magersüchtig geworden und hab danach auch
noch
Bulimie gekriegt, weil ich entweder gar nichts gegessen oder totale
Fressanfälle bekommen habe. Meine Mutti hat mich dann zu einem
Psychologen gebracht. Der hat mir schnell geholfen, wir haben einen
Essensplan gemacht und so. Und bei dem habe ich dann eigentlich zum
ersten Mal überhaupt gelernt, über mich zu reden.
Christina Gueye, 28, lebt als Erzieherin in Berlin, in
Deutschland geboren.
Ich schicke meine Kinder, drei und elf, seit einiger Zeit ins
Judotraining. Ich selbst habe früher in Dresden zusammen mit acht
schwarzen Freundinnen Kampfsportunterricht genommen. Das hat uns nach
den ganzen Überfällen auf uns geholfen.
Peggy Fontainhas Mendes, 37, Erzieherin, in Deutschland
geboren.
Ich lasse meine Söhne abends nicht allein mit dem
öffentlichen
Nahverkehr fahren. Und habe sie zum Kampfsport geschickt. Um ihr
Selbstbewusstsein zu stärken. Wer keine Angst hat, das weiß
ich von mir
selbst, wird nicht so leicht zum Opfer.
Abou Souker, 33, Kamerun, lebt in Berlin, seit 3 Jahren
in Deutschland.
Ich habe bis zu meiner Heirat in einem Flüchtlingsheim in
Brandenburg
gelebt, in Bahnsdorf bei Senftenberg. Vom Bahnhof ist dieses Heim so
zwei Kilometer entfernt. Es gibt keinen Bus auf dieser Strecke, und die
Straße, die zum Heim führt, hat keine Straßenlampen,
das heißt, man
geht vollkommen im Dunkeln, wenn man abends dorthin kommt. Das Heim ist
umgeben von einem großen Wald. Das Gebäude selber ist eine
alte
Militärkaserne, und in dem Wald um das Heim herum gibt es noch
lauter
Minen. Jeder Bewohner muss, wenn er einzieht, ein Formular
unterschreiben, dass er darüber aufgeklärt wurde und nicht in
dem Wald
rumgeht. Das ist aber schwer bei 500 Bewohnern und vielen Kindern, dass
das eingehalten wird. Gott sei Dank ist nie was passiert bisher. Das
Heim ist so abgelegen, dass man es eigentlich nie verlässt. Essen
und
Schlafen, das ist alles.
Peter Lawson
Es würde ja auch niemand akzeptieren, dass einer aus dem Ort mit
einem
Ausländer befreundet ist. Hier, mein Handy, ich zeige dir mal ein
paar
SMS von einem Mädchen, das ich kennengelernt habe, sie arbeitet
beim
Roten Kreuz in Prenzlau. Wir waren eigentlich richtig zusammen eine
Woche, aber dann hat sie plötzlich nicht mehr auf meine Anrufe
reagiert, und dann schreibt sie plötzlich (zeigt die SMS):
»Es geht
nicht mehr, meine Familie und meine Freunde machen mir Probleme«,
jeder
hatte ein Problem, dass sie die Freundin eines Schwarzen war, deshalb
hat sie sich von mir getrennt.
Joy Denalane, 33, Soulsängerin, Berlin, in
Deutschland geboren.
Ich fahre zwar bewusst nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln,
aber
neulich brauchte mein Mann Max das Auto. Es war abends, ich war bei
einem Freund am Prenzlauer Berg im Osten und musste die Ringbahn
nehmen, um heimzukommen. Die Ringbahn fährt durch die ganzen
Außenbezirke im Osten und dann zurück in den Westen. Das hat
mir
überhaupt nicht gefallen – allein atmosphärisch befand ich
mich
plötzlich im Feindesland, die Stimmung hatte etwas Aggressives,
mich
trafen abschätzige Blicke, und dauernd stiegen Menschen in
Bomberjacken
und Springerstiefeln zu. Ich will nicht pauschalisieren, aber dieses
feindselige Starren ist mir im Westen noch nicht begegnet. Dass nicht
mehr passierte, liegt sicher auch an meiner Art. Ich bin Berlinerin,
kenne die unausgesproche-nen Straßencodes und kann mit meinem
Blick
etwas ausstrahlen, was dem Gegen-über signalisiert: »Komm
mir nicht zu
nahe, ich habe keine Angst vor dir.« Die lassen mich dann auch in
Ruhe.
Victoria
Neuerdings kriege ich glücklicherweise keine Beschimpfungen mehr
mit,
weil ich immer mit Mp3-Player durch Pirna laufe. Und wenn ich sehe,
dass paar Nazis entgegenkommen, mach ich einfach extra laut.
Wohncontainer
im Flüchtlingsheim Bahnsdorf bei Senftenberg. Im Wald, der das
Heim
umgibt, liegen noch etliche Minen aus dem Zweiten Weltkrieg.
2. Erfahrungen mit Gewalt
Tchbodi Kodjo*
Am 4. Juni 2006 war Stadtfest in Magdeburg, am »Alten
Markt«. Ich habe
dort abends auf eine Straßenbahn gewartet, und weil ich noch zehn
Minuten hätte warten müssen, wollte ich weiter bis zur
nächsten Station
gehen. Da kam eine Gruppe von vier Leuten hinter mir her, zwei Jungs
und zwei Mädchen. Sie haben immer gerufen: »Hey, du,
hey!« Ich habe
mich umgedreht und gefragt: »Wer, ich?« Einer der Jungs kam
dann auf
mich zu und hat mir einfach so, ohne Vorwarnung, mit der Faust eine
reingehauen. Er hat nicht vorher was von
»Scheißneger« oder so gesagt –
dann wäre ich schon vorgewarnt gewesen. Ich wusste nicht, was ich
machen sollte, denn vier waren ein bisschen viel. Ich bin also
weggelaufen und wollte mein Telefon aus der Jacke nehmen, um die
Polizei anzurufen, Die beiden Jungen sind nachgelaufen und haben mich
beschimpft – »Wen willst du denn anrufen, du Neger, komm mal
her« – und
haben versucht, mir das Telefon wegzunehmen.
Um uns herum waren die ganze Zeit vielleicht tausend Leute, die auf dem
Stadtfest waren. Keiner hat sich für die Sache interessiert. Die
beiden
kamen also hinter mir her. Sie nahmen mir die Jacke mit dem Telefon weg
und fingen an, mich zu verprügeln. Einer der beiden hatte eine
leere
Flasche in der Hand und wollte mich damit schlagen. Und ich hatte
wirklich Angst. Ich meine, ich habe in Afrika schon gelernt, wie man
sich verteidigt, auch gegen zwei Leute. Irgendwie habe ich dem einen
die Flasche wegnehmen können, und ich habe sie ihm im Kampf
über den
Kopf geschlagen. Es blieb einer übrig. Viele Menschen hatten einen
Kreis um uns gebildet und schauten dem Kampf zu. Plötzlich, als
der
eine schon auf dem Boden lag, kam einer aus dem Kreis heraus und sagte
zu mir: »Hände weg!« und packte mich am Arm. Ich
dachte, dass das jetzt
jemand von der Polizei war, und ließ den anderen los, aber
plötzlich
fing der auch an, mich als »Scheißneger« zu
beschimpfen.
In dem Moment habe ich mir gesagt: Okay, jetzt muss wohl einer von uns
sterben, entweder ich oder die beiden anderen. Dann kam wirklich die
Polizei. Es waren zwei. Der eine hat mich mit auf das Revier
mitgenommen, der andere den Jungen. Was mit dem verletzten Jungen
passiert ist, weiß ich nicht.
Wir sind dann zu dem Polizeirevier gefahren. Dort habe ich gesagt, dass
ich unbedingt zuerst in ein Krankenhaus muss. Sie haben mich in eines
gebracht; man hat mich untersucht und Verbände gemacht. Das hat
lange
gedauert, und erst nach Mitternacht war ich wieder bei der
Kriminalpolizei. Ich wollte eine Anzeige machen gegen den Jungen, und
die Frau bei der Polizei sagte mir, dass der Junge auch schon eine
Anzeige gegen mich gemacht hatte. Ich dachte: Hallo? Als ich meine
Anzeige machen wollte, sagte sie: »Das mit der deutschen Sprache
ist
schwer, wir brauchen unbedingt einen Dolmetscher.« Das würde
aber erst
am Dienstag gehen, weil am Montag Feiertag sei, Pfingstmontag oder wie
das heißt. Der andere hatte aber schon am Sonntagabend die
Anzeige
gemacht, und deshalb stand dann am Dienstag der Vorfall so in der
Zeitung, wie es der Junge gesagt hatte: dass ein Afrikaner die
deutschen Jugendlichen als Nazis beschimpft und die Schlägerei
provoziert hätte und einen von ihnen mit einer Bierflasche
verletzt
hätte.
Nun ist es so, dass wir alle drei, die beiden deutschen Jungs und ich,
eine Anzeige haben, wegen »schwerer Körperverletzung«.
Ich habe aber
natürlich auch die anderen beiden angezeigt. Ich weiß nicht,
was dabei
rauskommt. Der Prozess beginnt in den nächsten Wochen.
Salomon Ngomane-Schulz, 40,
Mosambik, lebt als Sozialarbeiter in Magdeburg, seit 18 Jahren in
Deutschland.
Seit ich an Hitlers Geburtstag zusammengeschlagen worden bin von
Skinheads, hier in Magdeburg in meiner Straße, trauen sich unsere
Kinder eigentlich nicht mehr allein auf die Straße, um
Brötchen kaufen
zu gehen oder so. Das ist für die Entwicklung meiner Söhne,
sie sind
neun und 14, natürlich nicht so gut. Wir schauen jetzt halt, dass
wir
bald was anderes finden, dass wir umziehen können. Damit die
Kinder
wieder rausgehen können. Das Dumme war: Als mein älterer Sohn
bei der
Polizei angehört wurde als Zeuge – er war ja am Anfang noch dabei,
als
die Skinheads uns blöd anredeten, bevor ich ihn nach oben in die
Wohnung geschickt habe –, da haben sie ihm auch Fotos gezeigt von
einigen Skinheads und ihn gefragt, ob die bei dem Angriff dabei waren.
Das hätte die Polizei nicht machen sollen. Er hat tatsächlich
viele
erkannt, hat sich aber natürlich auch die anderen Gesichter auf
den
Fotos gemerkt, und wenn wir jetzt in unserem Viertel rumlaufen, ist das
natürlich schwer. Er glaubt ständig, jemanden
wiederzuerkennen, weil
viele von denen dauernd hier rumlaufen. Deswegen traut er sich jetzt
nicht mehr auf die Straße.
David Ibrahim*, 39, Togo, seit 7 Jahren in Deutschland,
Doktorand der Kultursoziologie.
Ich bin so was wie ein Katalog schlechter Erfahrungen. Fangen wir bei
den Polizei-
beamten in Dresden an, die mich auf der Straße verprügelten:
Auf die
Frage im Gerichtssaal: »Wieso haben Sie diesen jungen Mann auf
der
Straße aufgehalten?« antworteten sie: »Weil er
schmutzig aussah.« Weil
ich schmutzig aussah! Meine Frage an die Beamten, ich war
Nebenkläger:
»Wie können Sie aus dem Auto heraus sehen, dass ich auf dem
Fahrrad
schmutzig aussehe?« – »Ja, man sieht das.« Sie fuhren
mit mindestens
dreißig Stundenkilometern entlang. Die Leute von einem
Dönerladen in
der Straße haben alles beobachtet. Diesen Dönerladen hat die
Polizei
danach zugemacht. Ich war aber bei den Türken. Sie haben mir
gesagt,
sie riskieren ihre Haut für mich und sagen aus. Die Polizisten
sind
nach wie vor im Dienst. Das Verfahren läuft noch.
Asumaila Atoude
Im Mai bin ich in Rathenow auch angegriffen worden, hier in dem
stillgelegten Betonwerk direkt neben dem Flüchtlingsheim. Als ich
an
einem Abend so um sieben mit dem Fahrrad vom Einkaufen zurückkam,
hat
mich ein Auto mit drei Leuten drin verfolgt und mehrmals versucht, mich
auf einem abgelegenen schmalen Weg zu überfahren. Die Täter
wurden auch
gefunden ein paar Tage später, sie haben aber bei der Polizei
gesagt,
dass sie nur ihr Auto ausprobieren und ein bisschen herumfahren
wollten. Vor ein paar Tagen kam ein Brief, dass das Verfahren
eingestellt wurde. Ich habe aber jetzt einen Anwalt, und wir werden
dagegen klagen. Man kann sogar noch heute an den Spuren im Gras genau
sehen, wie sie mich gejagt und mir den Weg abgeschnitten haben.
Noah Sow
Letztes Jahr bin ich mit dem ICE nach Potsdam gefahren: Da ist eine
Horde Glatzen zu mir ins Abteil; sie haben den Vorhang zugezogen und
mich belästigt – auf die Einzelheiten möchte ich lieber nicht
eingehen.
Zum Glück kam mir der Bundesgrenzschutz zu Hilfe. An der
nächsten
Haltestelle verließen die Bahnpolizisten aber für mich
völlig
überraschend den Zug. Ich flüchtete dann in ein Abteil mit
zwei
dunkelhäutigen Journalisten aus England. Es nützte nichts:
Jetzt hatten
die Glatzen freie Bahn für ihre Gewalttätigkeiten,
Morddrohungen und
sexuellen Belästigungen… Ich war danach monatelang
arbeitsunfähig und
in Therapie.
Diego Abandos*, 23, Angola, seit 6 Jahren in Dresden,
derzeit arbeitslos.
Mir haben zwei Typen vor einiger Zeit das Bein gebrochen. Ich habe eine
Anzeige gemacht, aber das dauert lang, bis da was passiert. Jetzt
klingeln die beiden manchmal bei mir. Die wissen von einer Nachbarin,
wo ich wohne. Einmal war mein Cousin allein bei mir zu Hause, da hat es
an der Tür geklingelt. Das waren dann die zwei Typen. Ich hatte
ihm
gesagt: Wenn du die Tür aufmachst, schmeißen die dich aus
dem Fenster –
ich wohne im 16. Stock. Er hat sie durch das Loch in der Tür
gesehen.
Die haben schon den Brief gekriegt, dass ich sie angezeigt habe. Ich
frag meine Nachbarin manchmal, ob die Jungs wieder da waren. Dann sagt
sie: Ja, aber ich wusste gar nicht, dass die dich kennen. So tut die
immer.
Stillgelegtes
Betonwerk in Rathenow: Nach dem Überfall auf den Asylbewerber
Asumaila
Atoude aus Togo wurde hier von Bewohnern des Flüchtlingsheims eine
WM-Party veranstaltet, unter dem Motto: »Die No-go-Areas
zurückerobern«. An der Wand sind noch die Umrisse der
Großbildleinwand
erkennbar.
David Ibrahim*
Vor vier Jahren habe ich eine Schreckschusspistole gekauft, um mich
selbst zu schützen. Ich habe einen Antrag auf Genehmigung gestellt
und
eine bekommen. Wegen des Überfalls auf mich damals auf dem
Stadtteilfest in Görlitz. Das waren fünf, sechs Leute, Nazis.
Sie
riefen: »Jagt den Neger, jagt ihn! Du kommst nicht lebendig hier
raus.«
Sie haben mit zerbrochenen Bierflaschen und einem Messer auf mich
eingestochen. Ich habe mir die Hand vor den Bauch gehalten; seitdem
funktionieren meine Finger nicht mehr. Die Gerichtsverhandlungen dauern
Jahre. Und jetzt habe ich sogar einmal Polizeischutz bekommen, als ich
nach Görlitz aufs Gericht fahren musste.
Patricia Vester, 36, lebt als Literaturmanagerin in
Potsdam, in Deutschland geboren.
Anfang der Neunziger haben mir regelmäßig Nazis mit
quietschenden
Reifen nachgestellt und mich mit Baseballschlägern
verprügelt. Bis
heute kriege ich Herzrasen und Panik, wenn ich quietschende Reifen
höre. Inzwischen habe ich einige Therapien gemacht: Jetzt traue
ich
mich wieder, mich im Stadtzentrum zu bewegen. Mit dem Rad kann ich
selbst nachts allein nach Hause fahren, ich hangele mich von Fixpunkt
zu Fixpunkt. Mit dem Zug nachts nach Hause zu fahren ist für mich
aber
immer noch ein Horrortrip. Vor drei Monaten kam ich nachts allein
zitternd am Bahnhof in Potsdam an. Der Taxifahrer hat mich einfach
stehen lassen – das hat mich total aus der Fassung gebracht.
Asumaila Atoude
Ich gehe seit dem Überfall auf mich nicht mehr allein nach
draußen.
Wenn ich einkaufen will, muss ich mit jemandem zusammen gehen. Ich habe
immer Angst. Außerdem schwitze ich dauernd und mein Herz macht
bummbummbumm, wenn ich fremden Menschen begegne. Deswegen gehe ich seit
einiger Zeit zur Therapie. Ich vergesse jetzt auch immer alles sofort.
Auch unser Gespräch heute hätte ich vergessen, hätte ich
den Termin
nicht in mein Handy einprogrammiert. Die Therapie ist gut, aber es ist
teuer, weil ich bekomme nur mein eigenes Zugticket bezahlt, und ich
bezahle das Ticket von dem, der mit mir geht.
3. In einem anderen Land?
Sam Meffire, 36, geboren in Dresden, war der erste
schwarze Polizist in Ostdeutschland.
Ich lebe schon seit etwa drei Jahren nicht mehr in Ostdeutschland, bin
nach Köln gezogen, um der alten Heimat zu entkommen. Hier kann ich
in
die Masse eintauchen. Wenn ich dagegen in einem Vorort von Dresden
einkaufen gehe, bin ich immer noch das Kuriosum, die
Drogerie-Verkäuferin verfolgt mich auf Schritt und Tritt,
während drei
weiße Kundinnen in Ruhe einkaufen.
Victoria
Letztens war ich in Nürnberg, und da sieht man alle naselang
Schwarze
rumlaufen. Hier in Pirna sind wir ja nur sieben schwarze Jugendliche
insgesamt. Was mich so erstaunt hat, war, dass ich in Nürnberg
überhaupt nicht angeschaut wurde. Ich bin es ja aus Pirna gewohnt,
dass
man mich immer anstarrt. Das war wirklich toll.
Ade Bantu
Wenn mir in Köln jemand den Hitlergruß zeigt, weiß ich
mich zu wehren.
Da glaube ich noch an die Polizei auf meiner Seite. Im Osten fühle
ich
mich total schutzlos.
Chima Onyele
Auch am Stuttgarter Hauptbahnhof werde ich manchmal angerempelt. Das
geht mir aber am Arsch vorbei. Weil ich darauf vertraue, dass mir Leute
zu Hilfe kommen oder es zumindest nicht gutheißen würden.
Dieses
Vertrauen habe ich in den neuen Bundesländern nicht. Da gehe ich
dann
immer mit diesem Scanner-Blick durch die Straßen. Im Endeffekt
ist es
aber eine hohe Erwartungshaltung an ostdeutsche Jugendliche, sich ihrem
rechten Umfeld entgegenzustellen. Diese Zivilcourage wird dir in
Frankfurt, München, Hannover nie abverlangt.
Tchbodi Kodjo*
Ich werde jetzt noch die Gerichtsverhandlung wegen des Überfalls
auf
mich abwarten und dann von Magdeburg weggehen, für immer. Ich
schaue,
dass ich nach Berlin, Hamburg oder Hannover gehe. Als ich in diesen
Städten mal zu Besuch war, war ich fast schockiert, wie
selbstverständlich die Afrikaner dort herumlaufen konnten; die
Frauen
tragen die traditionellen afrikanischen Kleider. Wenn man das in
Magdeburg machen würde, würde man ständig blöd
angeredet werden.
Straße auf dem
Gelände des Flüchtlingsheims Bahnsdorf, einer ehemaligen
Militärkaserne aus dem frühen 20. Jahrhundert.
4. Perspektiven
Abou Souker
Ich arbeite bei der Flüchtlingsinitiative Brandenburg, weil das
eine
gute Möglichkeit ist, die Asylbewerber aufzuklären, ihnen zu
sagen, was
sie machen können. Wir organisieren Konferenzen und Demos oder
auch
Sportveranstaltungen; wir gehen in die Heime und machen den Leuten Mut.
Ich als jemand, der auch jahrelang in so einem Heim gewohnt hat, im
schlimmsten von allen wahrscheinlich in Brandenburg, ich sage den
Leuten: Ihr dürft nicht bleiben, wo ihr seid. Ihr müsst Leute
treffen,
auch mal nach Berlin fahren. Ich habe das auch geschafft, weg aus dem
Heim in Bahnsdorf zu kommen, ich bin seit vier Monaten verheiratet,
wohne zusammen mit meiner Frau, und ich glaube, der extra große
Stress,
den ich als Asylbewerber hatte, ist vorbei. Man darf nicht mit Angst
kämpfen. Wenn du mit Angst kämpfst, hast du schon verloren.
Patricia Vester
Mit dem Verein »Black Flowers« engagiere ich mich für
eine Zukunft, in
der die Hautfarbe meines Sohnes und seiner Freunde akzeptierter
Bestandteil des Deutschlandbildes ist: Ich habe für das geplante
Begegnungscafé den Literaturpart übernommen, möchte
Kindern dort
afrikanisch geprägte Kultur und Literatur näherbringen. Mein
Sohn zum
Beispiel hat eine ganz starke politische Einstellung: Er weiß
über
Ungerechtigkeit und Hautfarben Bescheid und interessiert sich für
alle
Nachrichten, die im Zusammenhang mit Rassismus stehen. Und nachdem wir
André Hellers Afrika! Afrika!
angeschaut hatten, war er so begeistert, dass er jetzt unbedingt seinen
afrikanischen Großvater besuchen will. Darüber freue ich
mich sehr. Und
auch wenn ich oft ziemlich besorgt bin, versuche ich doch meinem Sohn
meine Angst nicht zu zeigen – um ihm nicht die Unbeschwertheit zu
nehmen.
Freddie Debrah, 26, Ghana, lebt als Fußballspieler
in Berlin, seit 17 Jahren in Deutschland.
Bei meinem Verein, dem SV Altlüdersdorf in der Nähe von
Berlin, hat es
eigentlich bisher nie Probleme gegeben. Wenn du Fußball spielen
kannst,
dann ist alles klar. Bei den Heimspielen ist das auch toll. Die
Zuschauer, unglaublich viele für die Verbandsliga, wollen einen am
liebsten umarmen. Und wenn die Fans einer gegnerischen Mannschaft
Ärger
machen, dann treten hier alle für mich ein.
Alida Babel, 45, lebt als Filmcutterin in Potsdam, seit
1969 in Deutschland.
Die Menschen in Ostdeutschland sind relativ unnahbar, aber herzlich,
wenn man sie kennenlernt. Vieles läuft da über meine Kinder,
sie sind
vier, sieben und elf Jahre alt. Sie nähern sich durch gemeinsames
Spielen an, was sich oft auf die Eltern auswirkt – die
grüßen mich
plötzlich, sind erstaunt, dass ich so gut wie sie Deutsch spreche,
und
schauen nicht mehr so finster. Ich komme ursprünglich aus
Gelsenkirchen
und bin vor sieben Jahren nach Potsdam gezogen.
Hier habe ich einen Film für die Schulen gedreht: eine
Dokumentation
über schwarze Jugendliche in Potsdam, ihren Alltag und ihre
Bedürfnisse. Mir ist aufgefallen, dass es kaum Literatur und Filme
gibt, in denen sie sich wiederfinden können. Daher schreibe ich
auch
Stücke über schwarze deutsche Kinder. Wenn man KiKa guckt,
kommen
schwarze Kinder nur in Klischeerollen vor: als tanzende, singende
Clowns. Uns gefällt Potsdam gut und wir möchten hier bleiben.
Und wenn
wir im Umland Menschen treffen, die mit offenem Mund dastehen, wenn sie
uns sehen, lachen sogar meine Kinder drüber.
Asumaila Atoude
In dem alten Betonwerk, wo ich angegriffen worden bin, haben wir
während der WM ein Fest gemacht. Wir haben eine
Großbildleinwand
aufgehängt und ein Viertelfinalspiel angeschaut. Es waren viele
Bewohner aus dem Heim da, ein paar Leute aus Rathenow kamen auch
vorbei, mit den Kindern sogar. Das war mal ein ganz netter Abend, weil
ich sage immer: Wir brauchen mehr Kontakt mit den Leuten hier. An dem
Tag hatte ich zum ersten Mal keine Angst, obwohl ich genau an dem Ort
war, wo ich überfallen worden bin. An diesem Tag war ich
glücklich.
Noah Sow
Trotz der absurden Erfahrungen, die ich im Osten gemacht habe, denke
ich mir: Fuck you, das ist immer noch mein Land.
*Namen von der Redaktion geändert
Interviews: Andreas Bernard, Jonathan Fischer, Kerstin
Greiner,
Meredith Haaf, Johannes Waechter; Zusammenstellung: Andreas Bernard;
Fotos: Eva Leitolf.
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