Protest bringt
Prozess ins Rollen
Vor zwei Jahren
verbrannte der Flüchtling Oury Jalloh in
einer Dessauer Polizeizelle. Dass sich nun ein Polizist vor Gericht
verantworten muss, ist auch Berliner Initiativen zu verdanken. Morgen
Demo
Von FELIX LEE
Es ist noch keine Woche her,
da hat Mouctar Bah von der Dessauer
Staatsanwaltschaft ein Couvert zugeschickt bekommen. Darin: zwei
Mobiltelefone, ein Einkaufsgutschein, eine Geldbörse und zwei
Visitenkarten. Bah hat das als schlechtes Zeichen gedeutet: "Ich
dachte, damit ist die Akte Jalloh nun endgültig vom Tisch." Die
Sachen
gehörten dem damals 21-jährigen Asylbewerber Oury Jalloh aus
Guinea. Er
war sein Freund. Morgen vor zwei Jahren verbrannte Jalloh in einer
Dessauer Polizeizelle. Manche sprechen von "Mord".
"Selbst von uns hat niemand
mehr damit gerechnet, dass das Gericht
den Fall noch behandeln wird", erzählt Bastian William von
"Plataforma", einer Berliner Initiative von Flüchtlingen und
MigrantInnen. "Wir wollten dennoch nicht nachgeben." Mit Erfolg: Am 2.
Januar hat das Landgericht angekündigt, dass das Hauptverfahren
zumindest gegen einen Polizisten eröffnet wird. Der
46-Jährige muss
sich wegen Körperverletzung mit Todesfolge verantworten. "Das
Engagement hat sich gelohnt", sagt William.
Es waren vor allem Berliner
und Brandenburger Unterstützergruppen,
die sich des Falls Oury Jalloh angenommen haben. Darunter Plataforma
und die Flüchtlingsinitiative Brandenburg (FIB). Im
sachsen-anhaltinischem Dessau gab es zwar die eigens gegründete
Oury-Jalloh-Initiative, die vor allem von Flüchtlingen getragen
wurde,
erzählt Aktivistin Xenia Dellwich von der Gruppe FelS (Für
eine linke
Strömung), ebenfalls eine Berliner Unterstützerin. "Doch nur
wenige
können sich aufgrund der Residenzpflicht frei bewegen. Damit sind
deren
Möglichkeiten eingeschränkt."
Der tragische Todesfall hatte
sich am 7. Januar 2005 ereignet.
Jalloh war in Gewahrsam genommen worden, weil er angeblich in
alkoholisiertem Zustand Frauen belästigt und bei seiner
anschließenden
Festnahme Widerstand gegen die Polizei geleistet haben soll. In der
Zelle wurde er auf einer Matratze an Händen und Beinen gefesselt.
Laut
Polizeiversion habe Jalloh aus Wut die Matratze angezündet. Gegen
zwei
Beamte hatte die Staatsanwaltschaft daraufhin Anklage erhoben: Der eine
muss trotz Durchsuchung ein Feuerzeug übersehen haben. Dem zweiten
wird
vorgeworfen, dass er trotz Alarmsignalen den Rauchmelder ignoriert hat.
Gutachter waren zu der Ansicht gekommen, dass Jalloh überlebt
hätte,
wäre ihm der Beamte rechtzeitig zu Hilfe gekommen. Nun wird
zumindest
gegen den zweiten Beamten die Hauptverhandlung eröffnet - mit fast
zwei
Jahren Verspätung.
Etwa so lange sind Berliner
Initiativen mit dem Fall beschäftigt.
Mouctar Bah hatte sich an sie gewandt. Gemeinsam organisierten sie
Busse für Demos in Dessau und formulierten Protestbriefe.
"Der Fall Jalloh in Dessau ist
natürlich besonders extrem", sagt
Dellwich. Die Verhältnisse im Berliner Abschiebegefängnis in
Grünau
seien grundsätzlich aber nicht anders. Immer wieder höre man
von
rassistisch eingestellten Polizisten, die ihre Häftlinge
schikanierten.
Dass der Fall Jalloh überhaupt bekannt wurde, ist seinen Freunden
zu
verdanken, so Dellwich. "Niemand von den Unterstützern glaubt an
einen
Selbstmord."
Am Samstag rufen die
Initiativen zu gleich zwei Demonstrationen auf.
Bah hat für 13 Uhr eine Veranstaltung auf dem Dessauer
Bahnhofsvorplatz
angemeldet. Von Berlin aus wird es ausnahmsweise keine Sonderbusse
geben. Anlässlich Jallohs zweiten Todestags soll es zeitgleich in
Berlin am Hackeschen Markt eine Oury-Jalloh-Gedenkveranstaltung geben.
taz Berlin lokal vom 5.1.2007,
S. 24, 118 Z. (TAZ-Bericht), FELIX LEE
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